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Keine Prozesskostenhilfe für Streit mit Jobcenter um monatlich 1,85 Euro

von Sicherheit2019
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Keine Prozesskostenhilfe für Streit mit Jobcenter um monatlich 1,85 Euro.

(prejus) Sozialrecht im Alltag: Keine Prozesskostenhilfe für Streit mit Jobcenter um monatlich 1,85 Euro – Klägerin muss Rechtsanwalt selbst bezahlen.

Sozialrecht im Alltag – Unter dieser Rubrik berichtet das Sozialgericht Berlin über typische Fälle aus dem Sozialrecht. Die ausgewählten Entscheidungen stehen beispielhaft für die allgemeine Rechtsprechung zum jeweiligen Problemkreis. Sie befassen sich mit Rechtsfragen aus dem täglichen Leben vieler Menschen.

Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 12. Juni 2018 (S 179 AS 12363/17): Der Antrag der
Klägerin auf Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der Staatskasse wird abgelehnt.
Der Wert der Klage um die Kosten von Zündstrom für eine Gastherme ist derart gering und
die Klage derart einfach zu begründen, dass rechtsanwaltliche Hilfe nicht erforderlich ist.

Ein Kläger, der seine Anwaltskosten selbst tragen müsste und den intellektuellen und beruflichen Hintergrund der Klägerin hätte, würde den Prozess vor dem Sozialgericht vernünftigerweise allein führen.

Zum Hintergrund

Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist gerichtskostenfrei. Es besteht auch keine Verpflichtung, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Dennoch nimmt eine erhebliche Zahl von Klägern anwaltliche Hilfe in Anspruch. Wenn sie die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen können und der Rechtsstreit hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, erhalten sie hierfür Prozesskostenhilfe (PKH, vgl. § 73 a Sozialgerichtsgesetz, § 114 Zivilprozessordnung). Der Staat ordnet ihnen dann einen Anwalt bzw. eine Anwältin ihrer Wahl bei und trägt deren Kosten (sofern nicht am Ende des Prozesses der Beklagte ohnehin die Kosten tragen muss, weil er den Prozess verloren hat).

Auf diese Weise soll die „Waffengleichheit“ zwischen den Klägern und den Behörden mit
ihren rechtskundigen Sachbearbeitern sichergestellt werden.

Zum Fall

Die Klägerin aus Berlin Steglitz hat früher als Selbständige eine gewerbliche
Zimmervermietung betrieben. Nun bezieht sie Hartz IV-Leistungen vom Jobcenter Berlin
Steglitz-Zehlendorf. Mit Hilfe einer Anwaltsfirma hat sie Ende 2017 vor dem Sozialgericht
Berlin Klage erhoben. Über das bereits bewilligte Arbeitslosengeld II hinaus begehrt sie vom beklagten Jobcenter ab Januar 2018 die Übernahme von 1,85 Euro monatlich (= 22,20 Euro jährlich). So viel kostet der Zündstrom zum Betrieb der Gastherme, mit der sie auch Warmwasser erhitzt. Zugleich hat die Klägerin bei dem Gericht einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt.

Es wird keine Prozesskostenhilfe geben

Mit Beschluss vom 12. Juni 2018 hat der Vorsitzende der 179. Kammer den PKH-Antrag
abgelehnt. Der Rechtsstreit habe nicht in einem Umfang Aussicht auf Erfolg, der die
Gewährung von PKH rechtfertige. Für 1,85 Euro monatlich würde ein nicht bedürftiger
Antragsteller mit dem intellektuellen Stand und beruflichen Erfahrungshintergrund der
Klägerin vernünftigerweise keine Anwaltskanzlei beauftragen, sondern den Prozess, der ja
gerichtskostenfrei sei, selbst führen. Die Prozesskostenhilfe ermögliche nicht, einen Anwalt
ohne Beachtung des Verhältnisses zwischen Streitwert und Kostenrisiko zu beauftragen.
Zwar seien Rechtsstreitigkeiten nicht allein wegen eines niedrigen Streitwerts mutwillig.
Entscheidend sei jedoch, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führten, dass
der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien verletzt sei, also ein deutliches
Ungleichgewicht im Kenntnisstand und den Fähigkeiten der beiden Prozessparteien bestehe.

Dies sei hier nicht der Fall. Der Klägerin sei es möglich, die Auseinandersetzung um die
möglicherweise zu Unrecht nicht gewährten 1,85 Euro sprachlich und inhaltlich zu erfassen
und eigene Rechtsschutzziele zu formulieren.

Anmerkung der Pressestelle

Das Sozialgericht Berlin ist das größte Sozialgericht Deutschlands. Es ist unter anderem zuständig für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV), Angelegenheiten der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und auch für Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen. 2017 gingen insgesamt 30.800 neue Verfahren ein. Rund 54 % davon betrafen die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Das Sozialgericht Berlin steckt mitten in der Übergangsphase von der Papierakte zur E-Akte. Auf dem Gebiet des elektronischen Rechtsverkehrs ist es das Pilotgericht der Berliner Justiz (siehe hierzu auch die Pressemitteilung vom 10. August 2017 „Bahn frei für die digitale Post“).

Sozialgericht Berlin
Invalidenstraße 52, 10557 Berlin
Telefon: (030) 90 227 1050
pressestelle@sg.berlin.de

Quelle: Pressemitteilung des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2018.
Bildquelle: pixabay.com

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