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Verkehrsunfall – muss der Schädiger auch die Lackierkosten übernehmen?

von Sicherheit2019
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Verkehrsunfall – muss der Schädiger auch die Lackierkosten übernehmen?

Lackier- und Verbringungskosten als Unfallschaden

Im Rahmen der Unfallregulierung wird seit Jahren heftig darüber gestritten, ob Verbringungs- und Lackierkosten erstattungsfähig sind und wenn ja, in welcher Höhe. Nachfolgend finden sie einen Überblick über den aktuellen Stand der Rechtsprechung und Argumentations-Möglichkeiten, um sich gegenüber dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung erfolgreich duchzusetzen.

Verbringungskosten bei tatsächlicher Reparatur

Verbringungskosten sind im Haftpflichtfall grundsätzlich dem Grunde nach erstattungsfähig. Zumindest bei konkreter Abrechnung des Unfallschadens und nach tatsächlich durchgeführter Reparatur. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, nach einer Werkstatt zu suchen, die keine Verbringungskosten berechnet. Bei einer tatsächlich in der Markenwerkstatt, die keine eigene Lackiererei hat, durchgeführten Reparatur gehören die Verbringungskosten zum erstattungsfähigen Schaden. Wenn eine Reparaturfirma die firmen- oder gruppeneigene Lackiererei räumlich ausgelagert hat, sind Verbringungskosten zu ersetzen.

Auch wenn die Schadenbeseitigung allein durch Lackierungsarbeiten erfolgt, darf der Geschädigte das Fahrzeug zur Reparatur in einer Werkstatt der Marke zur Reparatur geben (so zumindest AG Berlin-Mitte, Urteil vom 6.5.2015, 112 C 3004/15).

Zur Frage der Höhe von Verbringungskosten

Im Rahmen der Schadensabrechnung dürfen lediglich die regional üblichen Sätze, also die angemessenen Kosten, in Ansatz gebracht werden. So sollen nach zwei neueren Entscheidungen Verbringungskosten mit einem Aufwand von 1,5 Stunden durchaus erstattungsfähig sein.

Verbringungskosten auch bei fiktiver Schadensabrechnung

Die Verbringungskosten stehen dem Geschädigten auch bei fiktiver Abrechnung seines Unfallschadens zu, wenn diese bei einer konkreten Reparatur anfallen würden. Denn die Reparaturkosten können bei einer fiktiven Abrechnung nicht in „angefallene“ und „nicht angefallene“ Einzelposten unterteilt werden (so BGH, Urteil vom 19.02.2013, VI ZR 401/12). Allerdings sind die weiteren Kriterien des BGH zu berücksichtigen. Ist das beschädigte Fahrzeug nicht älter als drei Jahre oder – wenn älter – konsequent in einer Markenwerkstatt gepflegt, ist auf das Autohaus der Marke am Ort abzustellen.

Würde diese Markenwerkstatt bei einer Reparatur Verbringungskosten berechnen, sind die auch fiktiv zu erstatten. Ist der Versicherer berechtigt, den Geschädigten auf eine andere Werkstatt zu verweisen, kommt es darauf an, wie diese abrechnen würden.

Kosten für Lackierräder erstattungsfähig

Bei bestimmten Lacken besteht die Notwendigkeit, dass ein Fahrzeug nach der Reparaturlackierung „forciert“, also bei erhöhter Temperatur, getrocknet wird. Dabei kann es zu einer Aufheizung des Fahrzeuges auf bis zu 60 Grad Celsius kommen. Dann besteht die Gefahr, dass die auf der Stelle stehenden Reifen durch die Hitzeentwicklung beschädigt werden. Daher schreiben diverse Hersteller vor, dass die Räder vor der Aufheizung des Fahrzeugs demontiert und durch provisorische „Lackierräder“ ersetzt werden müssen.

Die dadurch entstehenden Kosten werden von den Versicherern regelmäßig als nicht erforderlich zurückgewiesen. Veröffentlichte Entscheidungen zu diesem Thema sind bislang nicht bekannt. Vor dem Hintergrund der Herstellerhinweise dürften die Kosten aber erforderlich und damit erstattungsfähig sein.

Sind Kosten der Beilackierung zu übernehmen?

In der Rechtsprechung und Regulierungspraxis ist umstritten, ob die Kosten einer farbangleichenden Lackierung (= Beilackierung) erstattungsfähig sind. Sieht ein Sachverständigengutachten eine solche farbangleichende Einlackierung vor, so darf der Geschädigte darauf vertrauen und der Werkstatt den Auftrag erteilen, so zu reparieren und lackieren, wie es im Gutachten ausgeführt ist. Ob sich der Geschädigte auf einen Kostenvoranschlag der Werkstatt genauso verlassen darf, wie auf ein Schadengutachten, ist bislang noch nicht obergerichtlich entschieden.

Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm sollen fiktive Beilackierungskosten nicht erstattungsfähig sein. Dies mit der Argumentation, dass solche Kosten nur dann anfallen, wenn sich bei der Lackierung besondere Maßnahmen als tatsächlich notwendig erweisen (so OLG Hamm, Urteil vom 28.03.2017, 26 U 72/16).

Kosten für das „Beipolieren“ sind vom Versicherer zu tragen

Ist der Originallack des Fahrzeugs durch Alterungseinflüsse bereits etwas matter, sind die Kosten für das Beipolieren und damit für den optischen Übergang von der reparaturlackierten Stelle zu den angrenzenden vom Schädiger zu erstatten. Der Geschädigte hat einen Anspruch darauf, dass die Reparaturstelle nach der Reparatur nicht auffällt. Wenn augenscheinlich Glanzunterschiede vorhanden sind, dürfen diese durch Polierarbeiten beseitigt werden. Die Kosten sind dann erstattungsfähig.

Kosten für Farbmusterblech sind ebenfalls zu erstatten

Die Kosten für die Erstellung eines Farbmusterblechs gehören zum Schadenersatz. Denn das Mischen der Farbe und die Farbangleichung sind zwingende Bestandteile der Reparaturlackierung.

Autor: Rechtsanwalt Frank Baranowski, Siegen

Weiterer prejus-Themenbeitrag zum Verkehrsunfallrecht: Wie hoch ist das Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall?

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