Ist eine Online-Scheidung tatsächlich günstiger als eine “herkömmliche Scheidung” oder gar zu empfehlen?
Worin liegen die Vor- und Nachteile?
(prejus) Im Internet mehren sich die Angebote, die eine Online-Scheidung zu besonders günstigen Preisen, teils bis zu 60 % unter den regulären Gebühren, anpreisen. Teilweise wird damit geworben, dass die online-Scheidung nicht nur der billigere, sondern auch der leichtere und schnellere Weg sei. Durch solche Angebote wird der Eindruck erweckt, dass die online-Scheidung neben günstigeren Preisen einen erheblichen Mehrwert biete. Solche Anpreisungen halten einer näheren Prüfung nicht stand.
Eine online-Scheidung ist weder schneller noch günstiger! Außerdem fehlt ein wesentlicher Baustein, nämlich die persönliche und individuelle Beratung und Betreuung vor Ort. All dies ist für eine erfolgreiche Vertretung des Mandanten unabdingbar. Zumindest dann, wenn neben der reinen Scheidung noch weitere Themenkomplexe, wie nachehelicher Unterhalt, Zugewinn, Hausratsteilung, Sorge pp. der Klärung bedürfen.
Nur Erfassung der Scheidungsdaten online
Online-Scheidung bedeutet lediglich, dass die Daten für den Scheidungsantrag über eine standarisierte Maske digital in die Kanzlei übertragen werden und die gesamte Korrespondenz online, also per Mail, erfolgt. Dies ist ein Service, der heutzutage von nahezu allen Kanzleien angeboten wird. Die digitale Kommunikation ist zwischenzeitlich die Regel und kein Novum der online-Scheidung. Insbesondere kann die online-Scheidung nicht die Anhörung der Beteiligten beim Familiengericht, die nach § 128 FamFG zwingend vorgeschrieben ist, ersetzen. Auch bei einer online-Scheidung müssen die Beteiligten persönlich vor Gericht erscheinen, und zwar zwingend in Gegenwart eines „online-Anwaltes“, zu dem bis dahin kein persönlicher, unmittelbarer Kontakt bestand.
Keine Verfahrensbeschleunigung durch online-Scheidung
Zudem ist auch bei der Online-Scheidung, sofern notariell oder durch Ehevertrag nicht ausgeschlossen, der Versorgungsausgleich – nämlich Ausgleich der während der Ehezeit erwirtschafteten Rentenanwartschaften – durchzuführen. Es gelten damit die gleichen Wartezeiten. Denn die Scheidung kann erst dann ausgesprochen werden, wenn die Auskünfte der Rentenversicherungsträger vorliegen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bietet die Online-Scheidung keinerlei Vorteile. Sie ist keinesfalls schneller.
Keine Kostenreduzierung durch Scheidung online
Als Begründung für die vermeintliche Kostenreduzierung bei eine online-Scheidung wird insbesondere vorgebracht, dass Einvernehmen zwischen den Parteien bestehe. Dieser Umstand müsse bei der Kostenentscheidung gewürdigt werden. Aber dies ist ebenso wenig ein Kriterium, das für eine online-Scheidung spricht, denn die Voraussetzungen und der Verfahrensablauf sind für alle Rechtssuchenden gleich; ebenfalls die Kosten. Der Anwalt, der die Scheidung einreicht, ist an die Gebührenordnung für Anwälte – das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) – gebunden.
Gebührenordnung ist einzuhalten
Er darf die gesetzlich vorgegebenen Gebühren nicht unterschreiten. Er muss eine Scheidung nach dem Verfahrenswert, den letztlich das Gericht am Ende des Verfahrens verbindlich festsetzt, abrechnen. Wie der Verfahrenswert zu ermitteln ist, regelt das Gesetz (§ 43 Abs. 2 FamGKG). Im Regelfall wird für die Scheidung an sich der dreifache Wert der monatlichen Nettoeinkünfte beider Eheleute zu Grunde gelegt. Der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich beträgt für jedes Anrecht, mit dem sich das Gericht auseinander zu setzen hat, zehn Prozent des vorgenannten Scheidungs-Grundwertes. Beide Werte werden addiert und ergeben so den Verfahrenswert.
Der Anwalt kann lediglich darauf hinwirken, dass der Wert niedriger angesetzt wird, doch verbleibt die endgültige Entscheidung dem Familiengericht. Da sich die Gerichtskosten gleichermaßen nach dem Verfahrenswert richten, hat eine solche Anregung auf Reduzierung des Verfahrenswertes in der Praxis nur wenig Aussicht auf Erfolg.
Oftmals keine persönliche Beratung
Gegen das Online-Verfahren spricht vor allem die unpersönliche Abwicklung, dass dem Bedürfnis nach Beratung und Information nicht gerecht wird. So besteht die zwingende Notwendigkeit, Im Vorfeld des Scheidungsverfahrens das weitere Vorgehen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Nur im gemeinsamen Gespräch vor Ort lassen sich Bedürfnisse ermitteln, Ziele erfassen und Lösungswege aufzeigen. Dies ist in der „virtuellen Welt“ der online-Scheidung nicht oder allenfalls eingeschränkt möglich.
Kostenersparnis durch “einvernehmliche Scheidung”
Sind sich die Ehegatten einig, so ist es ausreichend, wenn nur einer von ihnen den Scheidungsantrag stellt (= einvernehmliche Scheidung). Die Kosten können dann im Wege einer internen Vereinbarung hälftig geteilt werden. Dies bedarf aber einer ausdrücklichen Zustimmung der nicht anwaltlich vertretenen Partei, da von Gesetzes wegen der Antragsteller bzw. die Antragstellerin die Anwaltskosten alleine zu tragen hätte. Ohne Verständigung im Innenverhältnis wären vom anderen Partner nur die Gerichtskosten hälftig zu tragen.
Einvernehmen ist Trumpf: Rosenkrieg vermeiden
Am effektivsten lassen sich die Kosten reduzieren, wenn bereits vor Einleitung des Scheidungsverfahrens alle Trennungs- und Scheidungsfolgen einvernehmlich geklärt sind und eine notarielle Vereinbarung hierüber getroffen wurde. Eine einvernehmliche Scheidung ohne Rosenkrieg ist der beste Garant für eine zeitnahe und kostengünstige Scheidung. Ohne individuelle und persönliche Beratung durch einen Anwalt vor Ort ist dieses Ziel aber kaum zu erreichen. Daher: kompetente Beratung und Vertretung statt online-Scheidung “von der Stange”.
Autor: Frank Baranowski, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht / Scheidungsanwalt
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